Willmitzer, H., 1997: Chlorresistente Parasiten im Trinkwasser. Naturwissenschaftliche Rundschau 50/2, 62-63.

Chlorresistente Parasiten im Trinkwasser

Insbesondere aus den angelsächsischen Ländern wird in den letzen Jahren vermehrt über trinkwasserbedingte Epidemien mit Cryptosporidien (Cryptosporidium parvum) und Giardien (Giardia lamblia) berichtet. Die größte bisher bekannte Epidemie mit Cryptosporidien ereignete sich in Milwaukee, USA, bei der 1993 370.00 Personen an schwerer Diarrhoe erkrankten [1]. Auch in Deutschland lösten diese Ereignisse eine umfassenden Diskussion über hygienische Anforderungen an die Trinkwasserversorgung aus Oberflächengewässern aus. 1996 wird durch das Umweltbundesamt, Außenstelle Bad Elster, ein Verbundforschungsvorhaben gestartet, das die Erforschung von Eintrittspfaden dieser Krankheitserreger in Trinkwassertalsperren zum Gegenstand hat.

Es handelt sich um kleine protozoische, intrazellulär lebende Parasiten (Cryptosporidium 3 - 7 µm, Giardia 8 - 18 µm), welche mit geringer Wirtsspezifität und ohne Zwischenwirt überwiegend Säugetiere befallen [2]. Infektionsübertragungen sind durch direkten Kontakt (Mensch-Mensch, Tier-Mensch) oder über Badewasser, Trinkwasser und Lebensmittel möglich. Die Infektionsdosis ist mit 1 - 100 Oozysten für den Menschen sehr niedrig [3, 7]. Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 5 Tagen wird eine schwere Durchfallerkrankung mit influenzaähnlichen Symptomen ausgelöst, die bei immungeschwächten Patienten (AIDS) zum Tode führen kann. Der infizierte Wirt (u. a. Mensch, Rinder, Schafe, Mäuse, Bisamratten) scheidet Oocysten mit dem Stuhl aus (z. B. infizierte Kälber bis zu 1010 täglich). Die Verbreitung der Oocysten in der Umwelt ist ubiquitär, außerdem können sie über Monate in der Umwelt überleben.

Trinkwasserbedingte Cryptosporidien-Übertragungen werden zudem durch die hohe Resistenz der Oocysten gegenüber Desinfektionsmitteln in der Trinkwasseraufbereitung begünstigt. Eine wirksame Inaktivierung der Oocysten wird erst bei Chlorkonzentrationen, die dem 100 - 1000-fachen Grenzwert nach Trinkwasserverordnung [4, 6] entsprechen, erreicht. Die gültigen bakteriologischen Qualitätsparameter des Trinkwassers entsprachen bei den bekannten Epidemien in den USA in der Regel den jeweiligen Anforderungen [5]. Oft traten Cryptosporidien und Giardien jedoch in filterlosen Versorgunssystemen oder Systemen mit ungenügender Flockung und Filtration auf.

In Auswertung der Ursachen von Cryptosporidien- und Giardien-Epidemien zeigt sich, daß das bisher bewährte Indikatorsystem zur Erkennung von Krankheitserregern (über E. coli, Coliforme Keime) zur Bewertung hygienischer Risiken durch parasitische Protozoen im Trinkwasser nicht geeignet ist. Der direkte Nachweis der Oocysten im Wasser ist äußerst aufwendig und kann nicht für die laufende Trinkwasserüberwachung herangezogen werden. Die extrem niedrige Infektionsdosis erfordert die Untersuchung großer Probenvolumina (Trinkwasser ca. 500 l), um zu sicheren Aussagen zu gelangen. Die Interpretation von Untersuchungsergebnissen ist erschwert, da verbindliche Trinkwassergrenzwerte noch nicht definiert werden konnten. Die bisher vorliegenden Erfahrungen zeigen, daß bei gut funktionierender Flockung und Filtration der Übertritt von Cryptosporidien in Trinkwasserversorgungssysteme nicht zu befürchten ist. Die Filtrationsleistung kann durch die Überwachung der Trinkwassertrübung festgestellt werden. Die Betreiber von Oberflächenwasserwerken (Talsperren, Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren e. V.) in Deutschland definierten zum Schutz vor Parasiten-Einträgen deshalb Qualitätsanforderungen an die Reinwassertrübung, die weit über das geforderte Maß hinausgehen (0,1 NTU statt 1,5 NTU nach [4]). Obwohl in Deutschland trinkwasserbedingte Epidemien seit 40 Jahren nicht mehr aufgetreten sind, geht man daran, Verfahren der Wasseraufbereitung dahingehend neu zu bewerten, daß nicht nur partikuläre Inhaltsstoffe insgesamt (ästhetische Aspekte) sondern auch einzelne Organismen aus dem Wasser abgetrennt werden müssen.

Im Verbund mit effizienter Aufbereitung kommt einem wirksamen Gewässerschutz größte Bedeutung zu. Ein Minimum von Weidebewirtschaftung (Kälber) im jeweiligen Einzugsgebiet, verbunden mit vollständiger Beseitigung kommunaler Abwassereinträge ist gefordert. Die in der Bundesrepublik Deutschland vertretene Strategie zum Schutz des Rohwassers durch weitgreifenden Gewässerschutz sowie die umfangreichen hygienischen Anforderungen an Wasseraufbereitung und -verteilung geben deshalb unabhängig von den jüngsten Erkenntnissen über mögliche Gefährdungen durch parasitische Protozoen keinen Anlaß zur Angst vor dem Genuß von Trinkwasser.

[(1) Edwards, D. D.: Troubled waters in Milwaukee. ASM News Vol. 59, No. 7, 342-345. (1993). - (2) Jeffery, J.: Cryptosporidiosis and Water Supply. J. of Water Supply - Aqua 2, 1-9. (1991). - (3) Badenoch, J.: Cryptosporidium in Water Supplies. HSMO, (1990). - (4) Trinkwasserverordnung in der Fassung vom 5. 12. 1990 BGBl. der BRD I, S. 2613. - (5 ) Rose, J. B., K. Botzenhart: Cryptosporidium und Giardia im Wasser, GWF - Wasser / Abwasser, 131, 563 - 572 (1990). - (6) Le Chevallier, M. W. , W. D. Norton: Giardia and Cryptosporidium in raw and finished water. J. A. Water works Ass. 87, 54-68 (1995). - (7) Dupont, H. L.: The infectivity of Cryptosporidium parvum in healthy volunteers. New. Engl. J. Med. 332, 855 - 859 (1995).]