Keywords:
Eutrophierung
Plankton
Fischbesatz
ökologische Verfahren
Wasseraufbereitung
Eine Methode der Eutrophierungssteuerung von Standgewässern ist die "Abwärtssteuerung" des Nahrungsnetzes. Durch gezielte Eingriffe in die Nahrungskette Fisch - Zooplankton - Phytoplankton kann das in der Trinkwassergewinnung störende Algenbiovolumen bereits im Gewässer reduziert werden. Andere Qualitätsbeeinträchtigungen, die aus einer intensiven Bioproduktion des Phytoplanktons resultieren, werden vermieden. Bei allen Eingriffen in die biologische Struktur von Gewässerökosystemen, die über Energie- und Stoffströme mit ihrer Umgebung kommunizieren, ist eine Vielzahl gewässerspezifischer Sekundäreaktionen möglich. Für die Praxis der Wassergütebewirtschaftung bedeutet dies, daß für jedes Gewässer individuelle Steuerungskonzepte erarbeitet und laufend neu angepaßt werden müssen. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus Langzeitexperimenten und Forschungsprojekten werden bei den Betreibern von Trinkwassertalsperren limnologische Untersuchungs- und Bewirtschaftungs-programme durchgeführt. Zielstellung dieser Programme ist die Verbesserung der trophischen Situation der Talsperren, um Probleme und Aufwendungen der Aufbereitung des Rohwassers im Wasserwerk zu minimieren.
Die Bedeutung von Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung ist angesichts der teilweise hohen Beanspruchung von Grundwasservorkommen in einigen Ballungsräumen Deutschlands erheblich. Die Möglichkeiten des Gewässerschutzes in Trinkwassereinzugsgebieten vor allem in intensiv genutzten Territorien sind jedoch begrenzt so daß das verfügbare Rohwasser unter hohem Energie-, Kosten- und auch Entsorgungsaufwand zu Trinkwasser aufbereitet werden muß. Die sinnvolle Nutzung gewässerinterner Selbstreinigungsprozesse durch Ökosystemsteuerung ist dann im Verbund mit der Einzugsgebietssanierung eine objektive Notwendigkeit.
Grundlagen
Neben toxischen Belastungen, Belastungen durch saure Niederschläge oder Belastungen durch organische Kohlenstoffverbindungen ist vor allem der Eintrag von Pflanzennährstoffen (Phosphat- und Stickstoffverbindungen) entscheidend für die Güte eines Gewässers. Die Höhe der Konzentration pflanzenverfügbarer Phosphorverbindungen entscheidet in den meisten Standgewässern Mitteleuropas (p-limitiert) über den Trophiegrad und somit über die Produktion von Algenbiomasse [18]. Das Wachstum dieses Phytoplanktons kann die Nutzungsmöglichkeiten der Gewässer erheblich beeinträchtigen. Die Tatsache, daß trotz relativ hoher Nährstoffbelastung in Gewässern "Klarwasserstadien" mit sehr niedrigen Phytoplanktongehalten auftreten, ist Ausgangspunkt für Überlegungen, diesen Zustand auf geeignete Weise zu fördern. Verursacher dieser "Klarwasserstadien" sind große Zooplankter (vorrangig Wasserflöhe, Gattung Daphnia, > 1mm), welche überwiegend das Phytoplankton zur Nahrungsgrundlage haben und dieses sehr effektiv aus dem Wasser filtrieren. Das Konzept der Nahrungsketten-Manipulation (Biomanipulation) beruht auf der Steuerung bzw. Förderung dieses großen Zooplanktons durch den Eingriff in das Endglied der Nahrungskette im See, den Fischen. Der gewünschte Effekt soll sich kaskadenartig durch die gesamte Nahrungskette fortsetzen: Durch die Reduktion zooplanktonfressender Fische wird die Vermehrung der großen Zooplankter gefördert (Abb. 1). Die verstärkte Filtrationsleistung des Zooplanktons bewirkt eine Reduktion der Algenbiomasse und somit die Erhöhung der Wassertransparenz (Sichttiefe). Bei ausreichender Reduzierung der externen Belastung kann auf dem Weg der Biomanipulation sogar seeintern eine langfristige Senkung der P-Belastung (P-Fixierung an Partikeln, Sedimantation) und Senkung der Phytoplanktonbiomasse erreicht werden (vergl.Pkt. Wirkungen).
Abb.
1: Schema der Biomanipulation
Eingriffe
Die Umsetzung des Konzepts der Nahrungskettenmanipulation in eine beherrschbare Praxis der Wassergütebewirtschaftung wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Den Eingriffen in das Ökosystem muß deshalb eine möglichst genaue Aufnahme der externen und internen Nährstoffbelastung sowie der Struktur des Gewässerökosystems vorausgehen. Über chemische Analysen werden mehrjährige Aussagen zum Phosphor- und Sauerstoffhaushalt gewonnen. Daneben wird die jahreszeitliche Entwicklung der Phyto- und Zooplanktonstruktur verfolgt sowie die Produktivität des Phytoplanktons. Angaben zur Bakterienbiomasse geben Auskunft über die Kopplung des mikrobiellen Nahrungsnetzes mit dem Zooplankton. Möglichst umfassende Angaben über Größe und Zusammensetzung des Fischbestandes (Arten, Häufigkeit, Altersklassen) müssen vorliegen und während der Eingriffe in das Ökosystem ermittelt werden.
Prinzipiell erfolgt der Eingriff in die Nahrungskette über die Veränderung des Fischbestandes. Entsprechend der ermittelten Gewässerspezifik [1, 18] wird auf einen dauerhaft hohen Anteil Raubfischbiomasse mit einer breiten Alterstruktur orientiert [6]. Dann ist ein hoher Fraßduck auf ein breites Spektrum zooplanktonfressender Fische (0+-Fische bis zu adulten Cypriniden) möglich. Der Raubfischanteil in der Biomasse sollte jedoch nicht größer als 50 % werden, da sonst die Stabilität des Systems abnimmt. Die Entwicklung und die Erhaltung eines hohen Raubfischanteils erfordern laufende Eingriffe, da sich sonst in wenigen Jahren der ursprüngliche, "natürliche" Zustand eines Gewässers einstellen wird. Die Regulierung erfolgt auf zwei Wegen:
A Besatz
B Entnahme
A) Eine breite Alterstruktur im Raubfischanteil muß über längere Zeiträume (ggf. Generationszeit der Fische) aufgebaut werden. Der Einsatz sowohl von Brut, als auch vorgestrekter und adulter Fische ist deshalb sinnvoll. Die Überlebensrate ist um so höher, je größer die Besatzfische sind [14]. Entsprechend dem Gewässertyp (Trophie, Morphometrie) kommen standortgerechte Arten zum Einsatz. In oligotrophen Gewässern kommen z. B. im wesentlichen nur die Bach- und Seeforelle (auch Größen > 30 cm) in Frage. In meso- bis eutrophen Gewässern werden ausgewogene Zander- und Hechtbestände angestrebt. Ausgeprägte Hechtbestände sind an gute Sichttiefen und ausgeprägte Makrophytengürtel geknüpft, während Zander bei schlechten Sichtverhältnissen im Freiwasser leben können.
B) Da Raubfische für die kommerzielle Fischerei sowie für den Angelsport attraktiv sind, müssen neben Besatzmaßnahmen unbedingt Beschränkungen für den Fang von Raubfischen durchgesetzt werden. Die kommerzielle Befischung der zu regulierenden Gewässer muß unterbleiben. Die Mindestmaße von Raubfischen werden höher angesetzt als gesetzlich vorgeschrieben. Auch die Verlängerung von Schonzeiten kommt in Betracht. Die Zahl der Angler sowie die Zahl der geangelten Raubfische pro Tag und Saison wird beschränkt. Im Fall einer starken Verschiebung der Bestansstruktur zugunsten zooplanktonfressender Fischarten kann über selektives Befischen eine Regulierung erfolgen.
Wirkungen
Das Ziel und somit die angestrebte
Wirkung der ergriffenen Maßnahmen ist eine Begrenzung der Phytoplanktonbiomasse
über den Aufbau eines gut entwickelten Raubfischbestandes. Die Reaktionen
eines Ökosystems auf dem Weg dorthin und während der Erhaltung
dieses Zustandes sind bis zu einem gewissen Grad vorhersagbar (gewässerökologische
Modelle) [4]. Aufgrund der Vielfalt des Nahrungsnetzes, der Stoff- und
Energieströme treten jedoch immer gewässerspezifische Reaktionen
auf. Die Einstellung einer optimalen Balance setzt langjährig fortwährende
Eingriffe und Untersuchungen voraus.
Fische und planktivore Invertebraten (planktonfressende Wirbellose)
Mit dem Aufbau starker Raubfischpopulationen
(Hecht, Zander) ist zwangsläufig der Rückgang zooplanktonfressender
Fische zu erwarten. Zooplanktonfressend sind neben allen Altersklassen
der Cypriniden (Karpfenfische) auch Jungfische und Fischbrut der Raubfische.
Die Jungfische (0+) tragen erheblich zur Dezimierung des Zooplanktons bei.
Auch fischfressende Altersklassen des Barsches können dieses massenhafte
Auftreten von Jungfischen im Sommer unterdrücken. Eine Dezimierung
von Laich und Fischbrut kann auch durch den Aal erreicht werden. Ein stabiles
Gleichgewicht mit hohem Raubfischanteil wird jedoch nur erreicht, wenn
die Biomasse der zooplanktivoren Fische nicht unterschritten wird. Das
Aufkommen zoobenthosfressender Arten (Kaulbarsch) kann dabei sehr zur Stabilisierung
beitragen [14]. Die völlige Beseitigung des Friedfischfraßdrucks
auf das Zooplankton führt mit Sicherheit zu zooplanktonfressenden
Invertebraten wie Chaoborus-Mückenlarven, Wasserwanzen der Fam. Corixidae
oder räuberischen Wasserflöhen (Leptodora kindti, Bytotrephes
longimanus), welche die Position der Friedfische einnehmen und ebenfalls
zu einer Dezimierung der erwünschten großen Daphnien führen
[7].
Zooplankton
Ein stabiler Systemzustand mit einer Verschiebung zu höheren trophischen Niveaus ist erreicht, wenn die Dominanz großer Zooplankter im gesamten Jahresverlauf gegeben ist [6]. Dazu zählen vor allem Crustaceen der Gattungen Daphnia, Cyclops und Eucyclops. Der Anteil kleinerer Gruppen (Rotatorien, Bosmina spec.) nimmt ab. Die Zunahme der Gesamt-Zooplanktonbiomasse und der mittleren individuellen Biomasse deuten ebenfalls darauf hin, daß der Fraßdruck auf das Zooplankton abnimmt. Die Sommer-Depression des Zooplanktons aufgrund des Aufkommens von 0+ Fischen kann jedoch kaum vermieden werden.
Abb. 2: Daphnia magna, Jungtier, ca. 2 Tage alt mit filtrierten Grünalgen im Darm
Abb. 3: Filterapparat von Daphnia magna
Phytoplankton
Das Auftreten großer filtrierender Zooplankter verursacht einen Rückgang der für das Zooplankton gut filtrierbaren Phytoplankter (< 50 µm). Die zeitliche Verschiebung des Auftretens von Beute (Phytoplantkon) und Räuber (Zooplankton) bedingt jedoch, daß die Frühjahrsentwicklung des Phytoplanktons in der Regel nicht beeinflußt werden kann. Dezimiert werden vor allem viele Arten kleiner Grünalgen, kleine zentrische Diatomeen, Cryptomonaden usw.. Andererseits kann die Zunahme von Algen, die Strategien gegen den Fraßdruck des Zooplanktons entwickeln, beobachtet werden. Nicht bzw. schlecht freßbar sind große Zellen, Kolonien, Fäden, Zellen mit Gallerthüllen und toxinbildende Arten. Auf diese Weise kann der dirkete Schluß zwischen den trophischen Ebenen Phytoplankton und Zooplankton entkoppelt werden [9]. Vor allem das massive Auftreten fädiger, koloniebildenter und toxischer Cyanobakterien ist problematisch. Davon betroffen sind überwiegend Gewässer mit hohem Nährstoffgehalt und stabiler sommerlicher Schichtung.
Bakterien, Protozoen, Pikoplankton
Weitestgehend offen ist die Frage, inwieweit Bakterien und Protozoen die Wirksamkeit der Biomanipulation beeinflussen und wie wirkungsvoll auf der anderen Seite pathogene Keime durch das Zooplankton eliminiert werden. Hohe Abundanzen großer Daphnien in Perioden mit sehr niedrigem Biomasseanteil im verwertbaren Phytoplankton deuten auf die Nutzung mikrobieller Nahrung [6, 9] hin. Neben Bakterien gehören zu dieser Nahrung auch Nanoflagellaten und Picoplankton.
Nährstoffe/Wasserqualität
Das Funktionieren der Biomanipulation zeigt sich in ausgeprägten Klarwasserstadien im Frühsommer und Herbst. Ursachen sind die Minimierung des Phytoplanktons selbst sowie das Auftreten größerer Algen (>50 µm). Für die Aufbereitung von Trinkwasser bietet dies den Vorteil, daß aufbereitungstechnisch besser filtrierbare Arten dominieren. Die höheren Eindringtiefen des Lichts führen dazu, daß während der Stagnation Probleme durch Sauerstoffdefizit ausgeglichen werden (P-, Fe-, Mn-Freisetzung, Ammonium, H2S). Die Ausprägung von Makrophytengürteln (höhere Wasserpflanzen) wird durch das bessere Lichtklima im Litoral begünstigt. Entsprechend der externen Belastung des Gewässers kann zwischen zwei Fällen unterschieden werden:
Bei relativ hoher Phosphor-Flächenbelastung (ca. > 1gP /m2 und Jahr) treten die beschriebenen Klarwasserstadien nur kurzzeitig auf. Zwischenzeitlich werden allerdings wieder die ursprünglich hohen Phytoplanktonbiomassen erreicht. Interne Mechanismen zur Senkung der P-Belastung werden durch die hohe externe Belastung kompensiert. Qualitätsprobleme aufgrund hoher Blaualgen-Biomassen treten auf [9].
Unterschreitet die externe Nährstoffbelastung eine gewässerspezifische Effektivitätsschwelle (Phosphor-Flächenbelastung zwischen 0,5 und 2 g P / m2 und Jahr) kann neben der Minimierung des Algenwachstums eine Reduktion der Nährstoffbelastung erreicht werden. Das Phytoplankton und somit die Pflanzennährstoffe werden in eine gut sedimentierbare Form (Daphnien und deren Faeces) überführt. Die P-Konzentration in den durchlichteten Wasserschichten nimmt langfristig ab, was wiederum zu einer weiteren Reduzierung der Phytoplanktonbiomasse führt.
Forschung
Die theoretischen Grundlagen für das Konzept der Nahrungskettenmanipulation liegen inzwischen in einer Vielzahl von Publikationen vor [2, 6, 10]. Das Studium der Grundlagen sowie der Steuerungsmöglichkeiten der Biomanipulation wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, in Skandinavien, in den Niederlanden und in Tschechien intensiv betrieben [3, 9, 10, 15]. Vor allem in den neuen Bundesländern und der ehemaligen DDR wurden theoretische Forschungsansätze unter dem Aspekt der praxisnahen Umsetzung für die Wassergütebewirtschaftung erarbeitet [3, 5, 6 ].
An dem Hydrobiologischen Institut der TU Dresden werden seit ca. 20 Jahren Themen bearbeitet, die die seeinternen Belastungsreduzierung durch Förderung des Zooplanktons zum Gegenstand haben. Dabei dient die hypertrophe Talsperre Bautzen (Oberfläche 533 ha, mittl. Tiefe 7,4 m) als Experimentalgewässer. Es handelt sich hier um das weltweit größte Langzeitexperiment (seit 1977), das die Steuerung der Nahrungskette im Gewässer zum Gegenstand hat.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde dieses Thema vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) Deutschlands aufgegriffen. Das BMFT fördert seit 1991 ein Verbundprojekt, das den Einsatz der Nahrungsketten-Manipulation zur Sanierung eutropher Seen zum Gegenstand hat (Tab. 1). Es wird der Frage nachgegangen, ob trotz vorhandener Ressourcen für das Phytoplankton (Nährstoffe, Licht "bottom up") eine Abwärtssteuerung der Trophie ("top down" - Kontrolle) möglich ist. Das BMFT-Verbundprojekt dient dazu, die Antwort sehr unterschiedlicher Standgewässer auf die Manipulation des Fischbestandes zu untersuchen. Auch in diesem Projekt nimmt die TS Bautzen einen zentralen Platz ein, weil hier bereits seit 1981die Biomanipulation wirkt. Durch einen über mehrere Jahre hinweg erfolgenden Zanderbesatz gelang es dort, von einer individuenreichen, schlechtwüchsigen Barschpopulation (zooplanktonfressend) zu einer zahlreichen Zanderpopulation zu gelangen [14]. Die gewünschte Beeinflussung des Zooplanktons trat ein, war aber in Jahren mit hohem Jungfischaufkommen eingeschränkt. Im Frühsommer und Herbst werden in dieser hypertrophen Talsperre Sichttiefen um 4 m erreicht. Weiterer Forschungsbedarf besteht vor allem in der Kontrolle der Jungfische, der Rolle der Bakterien und Protozoen und in der Frage der Einschränkung der hochsommerlichen Blaualgenentwicklung.
Experimentalgewässer | Charakteristik | |||
Talsperre Bautzen | Oberfläche: 533 ha, mittl. Tiefe: 7,4 m | |||
TU Dresden | Extrem hoch belastet (hypertroph) | |||
Land Sachsen | Geringe Stabilität der vertikalen Schichtung | |||
Feldberger Haussee | Oberfläche: 135 ha, mittl. Tiefe: 6,4 m | |||
(IGB Berlin /Neuglobsow) | Hohe interne Belastung (eutroph) | |||
Land Brandenburg | Geringe Stabilität der vertikalen Schichtung | |||
Hartwassersee | ||||
Plußsee | Oberfläche: 14,3 ha, mittl. Tiefe: 9,4 m | |||
MPI Plön | Nur diffuse Belastung (eutroph) | |||
Land Schleswig-Holstein | Hohe Stabilität der vertikalen Schichtung | |||
Steinbruch-Restgewässer Gräfenhain | Oberfläche: 0,044 ha, mittl. Tiefe: 7,0 m | |||
TU Dresden | Nur diffuse Belastung (mesotroph) | |||
Land Sachsen | Extrem hohe Stabilität der | |||
vertikalen Schichtung | ||||
Fuchskuhle | Oberfläche: 1,5 ha, mittl. Tiefe: 4,5m | |||
IGB Berlin /Neuglobsow | Nur diffuse Belastung, natürlich versauert, | |||
Land Brandenburg | (dystroph), Experimentell in 4 Teile geteilt | |||
Praktische Ansätze
Die fischereiliche Bewitschaftung von Seen und Talsperren orientiert sich in zunehmendem Maß an den Grundlagen der Biomanipulation [1, 13, 19]. Ein praktischer Ansatz zur Kontrolle der Nahrungskettenstruktur im Gewässer wurde in der Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren (ATT) gefunden. Seit 1992 wird die Zooplanktonzusammensetzung an 30 Trinkwassertalsperren in Deutschland (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz), Luxemburg und in den Niederlanden untersucht. Allein in Thüringen wurden 10 Trinkwassertalsperren in dieses Projekt einbezogen. Neben der genauen Erfassung des Zooplanktons (Artenspektrum, Abundanz ) wird als Summenparameter für die Zooplankton-Biomasse der suspendierte organische Stickstoff (SON) [16] bestimmt. Dieser Parameter kann ohne großen Aufwand in limnologisch ausgerüsteten Labors routinemäßig bestimmt werden. Das Verhältnis von großen, wirkungsvoll filtrierenden Zooplanktern (> 780 µm, vorrangig Daphnien) zu der kleineren Fraktion (200 - 780 µm) gibt Aufschluß darüber, ob eine effektive Phytoplanktonfiltration stattfindet oder ob im Fischbestand zooplanktonfressende Friedfische dominieren. Die Untersuchungen im Rahmen dieses Projektes wurden 1995 abgeschlossen. An den untersuchten Gewässern kann zum Teil eine gute Korelation zwischen Sichttiefe und dem Vorkommen großer Zooplankter nachgewiesen werden.
Die Auswertung der Ergebnisse an den Thüringer Trinkwassertalsperren zeigt, daß vor allem an den meso- bis eutrophen Talsperren Klarwasserstadien in Abhängigkeit großer Zooplankter auftreten. Während in der Talsperre Weida z. B. bei völligem Fehlen großer Zooplankter nur Sichttiefen um 3 m möglich sind, werden mit dem Auftreten großer Daphnien in der ebenfalls eutrophen TS Zeulenroda Sichttiefen bis zu 7 m erreicht (Abb. 2).
Abb. 4: Sichttiefe in jahreszeitlicher Abhängigkeit vom Auftreten goßer Zooplankter an der eutrophen Talsperre Zeulenroda
Die Analyse des Fischbestandes beider Sperren ergab, daß in der Biomasse der Talsperre Weida neben einem recht hohen Raubfischanteil (ca. 30%) die Kleine Maräne (Coregonus albula), einem nahezu ausschließlichen Zooplanktonfresser, mit ebenfalls 30 % dominiert. Zusätzlich zu dem weiteren Aufbau der Zander- und Hechtbestände ist hier ein selektives Befischen der Maränenbestände vorgesehen.
Die nahezu oligotrophen Talsperren
des Thüringer Waldes (o-PO4-Konzentrationen < 10 µg/l) weisen
hingegen Sichttiefen bis zu 20 m auf, obwohl nur wenige große Zooplankter
auftreten (Abb. 4). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß hier
die Nährstofflimitation im Epilimnion ausreicht, um das Algenwachstum
so zu minimieren, daß große Zooplankter offenbar keine Nahrungsgrundlage
haben. Im Fischbestand dieser Gewässer überwiegen Bachforelle,
Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) und in Flachwasserbereichen
die Ellritze (Phoxinus phoxinus). In der Biomasse des Phytoplanktons
dominieren Dinoflagellaten (Gymnodinium spec.), welche durch ihre
Größe (50-100 µm) ebenfalls nur geringe Trübungen
verursachen. Die fischereiliche Bewirtschaftung dieser Gewässer orientiert
auf eine Stabilisierung der Forellenbestände.
Abb. 5: Sichttiefe (Mittelwerte
1993 - 1995) und das Auftreten großer Zoopplankter in den wichtigsten
Trinkwassertalsperren Thüringens
Im Ergebnis der Auswertung
des ATT-Zooplanktonprojekts für Thüringen zeigt sich, daß
die Fischbestandsstruktur vor allem an den mesotrophen Trinkwassertalsperren
weiter in Richtung eines gut strukturierten Raubfischbestandes aufgebaut
werden muß. Die fischereiliche Bewirtschaftung der Thüringer
Trinkwassertalsperren erfolgt seit 1994 unter dem Gesichtspunkt der Biomanipulation.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Fischereipächtern, Talsperrenbetreiber
und Fischereibehörde unter der Prämisse, daß die Trinkwassernutzung
und somit die Qualitätsverbesserung Vorrang hat, ist dabei Grundvoraussetzung.
Ergänzung oder Ersatz technischer Wasseraufbereitung ?
Die erfolgreich betriebene Biomanipulation führt nachweislich zur Verbesserung der Wasserqualität. Das Verfahren erfordert keinen Energieeinsatz, keinen Stoffeinsatz und keinen Entsorgungsaufwand, ist also unter Betrachtung globaler Ökobilanzen wertvoll. Im Vergleich zu anderen Verfahren zur Verbesserung der Wasserqualität sind die Kosten minimal. Der Wirkungsgrad klassischer Verfahren des Gewässerschutzes kann drastisch erhöht werden. Abgesehen von der unnatürlichen Fischbestandsstruktur ist die Methode völlig umweltverträglich. Der Erfolg wird wesentlich dadurch bestimmt, mit welcher Konsequenz die beteiligten Partner über Jahre hinweg zusammenarbeiten und die Theorie vor Ort umsetzen.
Wie gezeigt wurde, können hochbelastete Gewässer mit Biomanipulation allein nicht restauriert werden. Die höchstmögliche Wirkung wird in Kombination mit der Reduzierung der externen Phosphat-Belastung erreicht.
Kann die Biomanipulation in meso- oder
oligotrophen Gewässern die mitunter sehr aufwendige Wasseraufbereitung
(Abb.6) ersetzen?
Abb. 6 Technologie zur Aufbereitung von Oberflächenwasser aus Talsperren (Beispiel Wasserwerk Herbringhausen, NRW)
Die Verteilung von völlig unbehandeltem Oberflächenwasser in ausgedehnten Leitungsnetzen würde erhebliche Risiken und Probleme für die Trinkwasserqualität mit sich bringen. Auch ein minimaler Biomasseanteil muß aus dem Wasser beseitigt werden (Flockung, Filtration), um jegliches Bakterienwachstum im angeschlossenen Leitungsnetz zu vermeiden. Aus diesem Grund wird auch eine Desinfektion nie wegfallen können. Ebenfalls unumgänglich sind Maßnahmen zur Herabsetzung bzw. Verhinderung der Metall- und Betonaggessivität.
Die Minimierung des Algenwachstums
kann jedoch den Aufwand für einzelne Aufbereitungsschritte mit Sicherheit
erheblich reduzieren oder diese sogar ganz überflüssig machen.
Das betrifft alle Aufwendungen für die Filtration (Mikrosieb, Kies-,
Sandfilter), der Geruchs- und Geschmacksbindung (Aktivkohle) und der Desinfektion.
So können wesentliche Einsparungen während der Filtration dadurch
erreicht werden, daß Filterlaufzeiten verlängert und die Menge
des Rückspülwassers minimiert werden. Der Anfall von Filterschlamm
wird reduziert. Die Verhinderung des Wachstums von geruchs-, geschmacks-
und toxinbildenden Algen im Rohwasser macht die Dosierung von Aktivkohle
im allgemeinen unnötig. Minimalste Anteile von Biomasse und gelöster
organischer Substanz (entstanden durch die biologische Aktivität des
Phytoplanktons) im filtrierten Wasser erübrigen aufwendige Nachdesinfektionen
im Leitungsnetz. Die Gefahr der Bildung von Desinfektionsnebenprodukten
(Haloforme, Chlorit) kann minimiert werden.
Die Biomanipulation ist eine wirkungsvolle Ergänzung zur Einzugsgebietssanierung und zur Wasseraufbereitung und sollte deshalb in modernen Konzepten der Bewirtschaftung von Standgewässern nicht fehlen.
Literatur
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