Willmitzer, H., 1998: Toxische Cyanobakterien in deutschen Gewässern. Naturwissenschaftliche Rundschau 51/5, 195-196.
 

Toxische Cyanobakterien in deutschen Binnengewässern

Vergiftungserscheinungen, verursacht durch toxische Algen, insbes. Flagellaten, sind vor allem im Zusammenhang mit dem Genuß von Muscheln und anderen Meerestieren, in denen sich die Toxine anreichern, bekannt. Die Verbreitung giftiger Algen als Folge der zunehmenden Eutrophierung beschränkt sich aber nicht nur auf maritime Küstengewässer. Vor allem aus Australien, den USA und Nordeuropa wird über das Vorkommen toxischer Cyanobakterien (Blaualgen) in Binnengewässern berichtet [4]. Neben Berichten über Vergiftungen von Haus- und Wildtieren (Viehtränken) werden zunehmend auch Erkrankungen von Menschen im Zusammenhang mit dem Vorkommen toxischer Cyanobakterien beschrieben [1]. Die häufigsten Ursachen dieser Erkrankungen sind Verschlucken beim Baden sowie der Genuß von nicht ausreichend aufbereitetem Trinkwasser.

Die akuten Krankheitssymptome können sehr vielfältig und wenig spezifisch sein. So treten Erbrechen, Durchfall, Übelkeit, aber auch Muskelkrämpfe und Kopfschmerzen auf. Bei chronischer Belastung bestehen Zusammenhänge mit erhöhten Leberenzymaktivitäten und Leberkrebs.

Im wesentlichen sind zwei Toxingruppen bekannt: Cytotoxine (Microcystine und Cylindrospermopsin), welche vorrangig Leber, Darmepithelien und Nieren schädigen (akut und subakut) sowie Neurotoxine (Aphantoxin, Saxitoxin und Anatoxin), die akute neuronale Störungen auslösen. Der Name der Toxine orientiert am Gattungsname der jeweiligen Arten, in deren Biomasse die Toxine nachgewiesen werden. Bekannte, toxinbildende Cyanobakterien-Gattungen sind: Microcystis, Planktothrix, Anabaena, Nostoc, Aphanizomenon und Cylindrospermum. Der analytische Nachweis der Toxine ist durch chromatographische Verfahren (HPLC, GC) oder Immunoassays möglich. Allerdings kann man daraus in vielen Fällen noch nicht auf die Toxizität der Algen schließen, da die Toxizität einzelner Strukturvarianten stark variiert. Deshalb wird in der Regel mit Biotests (Organismen oder suborganismischer Hepatocytentest) kombiniert.

Im Ergebnis eines 1995 begonnenen BMBF-Projekts, das die Frage nach der Verbreitung, nach Kontrollfaktoren und nach der ökologischen Bedeutung toxischer Cyanobakterien beantworten soll, zeigt sich, daß toxinbildende Cyanobakterien auch in deutschen Gewässern weit verbreitet sind [6]. Insgesamt werden in diesem Projekt 42 Gewässer untersucht (Tab. I). Den Schwerpunkt stellen vor allem eu- bis hypertrophe, stickstofflimitierte Seen dar. Das ist unter anderem dadurch begründet, daß einige Cyanobakterien-Gattungen die Fähigkeit besitzen, molekularen Stickstoff (N2) zu binden. Diese, für eu- bis hypertrophe Gewässer typischen Arten stellen vor allem an Badegewässern eine potentielle Gefahr dar [5]. Gerade im Hoch- und Spätsommer sind eutrophierte Gewässer häufig stickstofflimitert und somit durch intensives Cyanobakterienwachstum geprägt. In nahezu allen Fällen wurden Toxine nachgewiesen. Wie die Ergebnisse zeigen [6], sind darüber hinaus in Deutschland auch toxische Cyanobakterien von Bedeutung, welche in geringer belasteten Trinkwassertalsperren (meso- bis schwach eutroph) zu unterschiedlichen Jahreszeiten Massenentwicklungen ausprägen (Planktothrix rubescens). Über das Verhalten von Cyanobakterien-Toxinen während der Wasseraufbereitung ist bisher wenig bekannt. Neben einer vollständigen Abtrennung der Biomasse (Flockung, Filtration) müssen gelöste Toxine weitgehend aus dem Wasser eliminiert werden (A-Kohle). In den kommenden Jahren wird es Aufgabe der angewandten Forschung sein, die Grundlagen für Eliminierungsverfahren von Toxinen zu schaffen. Weiterhin muß die Frage beantwortet werden, welche Toxinkonzentrationen im Wasser (Trink- oder Badewasser) gesundheitliche Risiken bedeuten und wie diese in der Routineanalytik durch Behörden und Betreiber überwacht werden können.

 

 
 
Bundesland
 Anzahl der untersuchten Gewässer
Baden-Württemberg
 7
Brandenburg und Berlin
 26
Nordrhein-Westfalen
2
Rheinland-Pfalz
1
Sachsen
3
Sachsen-Anhalt
1 
Thüringen
2 
Tab. I. Anzahl der Gewässer, die im Rahmen eines BMBF-Projekts "Toxische Cyanobakterien in deutschen Gewässern" seit 1995 untersucht werden

Den sichersten Schutz vor Cyanotoxinvergiftungen stellt in jedem Fall eine Senkung der Phosphorbelastung der Gewässer dar. Ziel für Gewässer, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, müssen mindestens mesotrophe, besser oligotrophe Verhältnisse sein. Unter dieser Voraussetzung können auch die klassischen Anforderungen an Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung eingehalten werden [3]. Gleiches trifft auch für Badegewässer zu [2], wobei die Anforderungen etwas weniger streng definiert werden können (Gesamt-Phosphat < 0,02 bis 0,04 mg/l, Chlorophyll-a < 0,04 mg/l) [5].

[(1) I. Chorus in: Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Limnologie, Mitteilungen der DGL. Berlin (1995).- (2) EG-Richtlinie 76/160/EWG. Brüssel (1976).- (3) EG-Richtlinie 75/440/EWG. Brüssel (1979).- (4) I. Falkoner, in: Lecture at the 1st International congress on toxic cyanobacteria, 20.-24. Aug., Phycologica, Ronne, (1995).- (5) Umweltbundesamt. 6, Berlin (1997).- (6) Willmitzer, In: Umweltbundesamt, Toxische Cyanobakterien in Deutschen Gewässern, Statusseminar 28.-29. Apr.. Berlin (1997).]

Dipl.-Biol. Hartmut Willmitzer, Klettbach