Willmitzer, H., 1997: Qualitätsziele und ökologische Bewirtschaftung von Trinkwassertalsperren. In: Wasser & Abwasser Praxis 4/97, Gütersloh, 14 - 18. (Abbildungen teilweise nicht vollständig)
 
Qualitätsziele und ökologische Bewirtschaftung von Trinkwassertalsperren
 
Anforderungen an die Qualität von Rohwasser aus Talsperren für die Trinkwasseraufbereitung und Möglichkeiten der Gütebewirtschaftung von Talsperren unter ökologischen Aspekten

 

Dipl.-Biol. Hartmut Willmitzer, Tambach-Dietharz

 

Keywords:

Wasserqualität
Trinkwasseraufbereitung
Talsperrenbewirtschaftung
Ökologie

 
Zusammenfassung:
 

Die Bereitstellung von Trinkwasser aus Talsperren ist eng an die Beeinflussung der Rohwasserqualität durch Planktonorganismen gebunden. Um diese Einflüsse gering zu halten, müssen vor allem im Hinblick auf Nährstoffe und organische, partikuläre Inhaltsstoffe Qualitätsziele eingehalten werden, die weit über die Anforderungen gemäß Trinkwasserverordnung hinausgehen. Andererseits können gerade diese trophiebedingten Qualitätsbeeinträchtigungen durch eine sinnvolle Talsperrensteuerung und -bewirtschaftung unter Wahrung hygienischer und umweltrelevanter Aspekte minimiert werden. Unter Nutzung computergestützer Managementwerkzeuge wird mit geringem Einsatz ein Höchstmaß an Sicherheit der Überwachung und Effizienz der Bewirtschaftung erreicht.

 

 

1 Qualitätsanforderungen an Wasser aus Trinkwassertalsperren

Die bestehenden Verordnungen, Richtlinien und Merkblätter, in denen die Qualität von Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung definiert wird, beschreiben in der Regel einen Kriterienumfang, der sich zu Recht an die direkten Qualitätsanforderungen an Trinkwasser anlehnt6, 12, 15. Es existiert jedoch eine ganze Reihe von Kriterien, die den Aufwand für die Aufbereitung von Wasser aus stehenden Oberflächengewässern erheblich beeinflussen sowie den Status des Gewässers (vor allem die Trophie) prägen, welcher schließlich für die Trinkwasserqualität von Bedeutung ist. Diese, bisher kaum in deutschen, aber in anderen nationalen Regelwerken13 berücksichtigten Parameter, sollen im folgenden Beitrag behandelt werden. Neben den unmittelbaren Qualitätsanforderunen an das Rohwasser müssen Qualitätsziele im Hinblick auf die Beschaffenheit des Wasserkörpers selbst definiert werden.

 

Eine mitunter beachtliche Beeinflussung der Trophie von Oberflächengewässern und somit der Rohwasserqualität (Phytoplanktonbiomasse!) erfolgt durch den Einfluß von Pflanzennährstoffen (Phorphor, Stickstoff). Phytoplankton im Trinkwasser stellt nicht nur ein ästhetisches Problem dar, sondern auch einen Nährstoffpool für Bakterien, Protozoen und somit Krankheitserreger. Die Praxis zeigt, daß eine hohe Versorgungssicherheit mit erträglichem Aufwand für die Planktoneliminierung garantiert werden kann, wenn oligotrophe, mindestens jedoch mesotrophe Verhältnisse vorliegen. Voraussetzungen hierfür sind, bezogen auf die Einzugsgebietsgröße, ein ausreichend großes Beckenvolumens des Gewässers (mittlere Tiefe > 10 m), welches eine stabile Schichtung des Wassers mit einer entsprechenden Verweilzeit (> 1 a) garantiert, das Vorliegen eines genügend großen Hypolimnions (Quotient Hypo-/Epilimnion > 1) sowie ein Wassereinzugsgebiet mit einem hohen Waldanteil (> 50%)8.

 

Sanierungsziel sollte eine Minimierung der P-Flächenbelastung auf kleiner als 0,1 g o-PO4-P/m2a sein. Bei Gesamt-P-Konzentrationen unter 25 µg/l bzw. algenverfügbarem o-PO4 unter 15 µg/l zu Beginn der Frühjahrszirkulation sind nennenswerte Probleme aufgrund intensiver Bioproduktion nicht mehr zu erwarten3, 8.

 

Ein Maß für die Summe des Phytoplanktons stellt das Algenbiovolumen (BV) dar, welches durch Auszählung der Zellen und rechnerischer Volumenbestimmung1 ermittelt wird. Diese Methode der BV-Bestimmung gestattet genaue Aussagen zur Beurteilung der Effektivität von Trinkwasseraufbereiungsanlagen (TWA) und der Verhältnisse im Gewässer. Sie ist jedoch relativ aufwendig, so daß für die Kurzzeitsteuerung von Talsperre und Wasserwerk nach Summenparametern gesucht werden muß, die ohne großen Aufwand in ausreichender räumlicher Dichte (Tiefenprofil Talsperre, einzelne Aufbereitungsschritte) und hoher zeitlicher Auflösung (mindestens 14-tägig) ermittelt werden können. Ein äquivalentes, in der Routine verwendetes Maß für die lebende Algenbiomasse stellt der Chlorophyll-Gehalt dar 4, 16.

Für die Bewertung des Gewässerzustandes sowie Art und Umfang der Wasseraufbereitung ist neben dem Gesamt-BV die Struktur des Planktons entscheidend. Große und sperrige Zellen sind prinzipiell gut filtrierbar während fädige Formen je nach Art der Aufbereitung zum schnellen Verstopfen von Filtern führen oder nur schlecht in die Flocken gebunden werden können. Probleme im Aufbereitunsprozeß treten darüber hinaus auf, wenn eigenbewegliche Formen aus dem Flockungs- und Filtrationsprozeß ins Wasser gelangen3, wenn Algen auftreten, die zu Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen des Wassers führen oder wenn gehäuft toxinbildende Arten (Cyanobakterien, Microcystin) die Trinkwasserqualität gefährden.

Eine Definition von Grenzwerten für einzelne Plankter ist nicht möglich. Ein sichererer Wasserwerksbetrieb ist jedoch möglich, wenn jegliche Massenentwicklungen und vor allem das Auftreten der in Tab. 1 genannten Gruppen weitestgehend vermieden werden.

Tab. 1: Wichtige Planktonorganismen in Talsperren, die zu Qualitätsproblemen führen
 
Gatttung Probleme in der Wasseraufbereitung
Micocystis schlechte Eliminierung, Toxine
Planktothrix  Filterlaufzeiten, schlechte Eliminierung, Toxine, Geruch, Geschmack , ab 5000 Bruchstücke/ml mit bloßem Auge sichtbar (fälschl. Asbestfasern!)
Melosira, Fragilaria, Asterionella Verstopfung von Filtern
Synura, Uroglena, Dinobryon Geruch, Geschmack
Cryptomonas Eigenbeweglichkeit, schlechte Eliminierung
Notholca (Rädertier) schlechte Eliminierung
 

Blaualgen (Cyanobakterien) treten oft in eu- bis hypertrophen Gewässern auf, wo der Stickstoff zum limitierenden Faktor wird (Abb. 1), während Cryptophyceen und Dinophyceen eher an meso- bis oligotrophe Verhältnisse gebunden sind.

 

 

Abb. 1: Auftreten von Cyanobakterien in der Talsperre Ratscher aufgrund hoher P-Belastung und     Stickstofflimitierung

Eine Minimierung des Aufwandes für die Strukturbestimmung des Planktons kann erzielt werden, wenn Abhängigkeiten zu den Summenkriterien gefunden werden, wobei die rasche Änderung der Phytoplanktonstruktur (Wochen bis Tage) bedacht werden muß (Abb. 2).

 

Abb. 2: Korrelation zwischen Chlorophyllgehalt und dem Auftreten chlorococcaler Algen in der TS Schmalwasser, 1995

Neben dem Phytoplankton stellt das Zooplankton (Crustaceen, Rotatorien, Flagellagen, Ciliaten) die zweite, für die Trinkwassernutzung wichtige Organismengruppe dar. Trotz besserer Eliminierbarkeit treten auch im Zooplankton Gruppen auf, die im Aufbereitungsprozeß Probleme aufgrund schlechter Eliminierbarkeit machen (Rotatorien, Nauplien)1, 3. Deshalb ist in der Regel ebenfalls die Untersuchung des Gesamtspektrums des Zooplanktons erforderlich (Auszählen, Berechnung BV).

Als schnell bestimmbares Summenkriterium findet in jüngster Zeit die Bestimmung des partikulären, organisch gebundenen Stickstoffs (PON) in der Praxis Einzug7. Der PON stellt ein Maß für den in der gesamten lebenden Planktonbiomasse gebundenen Stickstoff dar. Über die Bestimmung unterschiedlicher Größenfraktionen (Netzzug) kann der jeweilige Anteil der großen Planktongruppen abgeschätzt werden (5- 250 mm: Phytoplankton, Flagellaten, Ciliaten, kleine Rotatorien; 250 - 780 mm: Rotatorien, kleine Copepoden, kleine Cladoceren; > 780 mm: große Copepoden und Cladoceren). Ein hoher Anteil großer Zooplankter läßt auf ein gut strukturiertes Nahrungsnetz im Sinne der Biomanipulation17 schließen.

Die Summe aller im Wasser befindlichen Biomasse kann gut durch das Summenkriterium TOC (gesamter, organisch gebundener Kohlenstoff), abzüglich des DOC (gelöster, organisch gebundener Kohlenstoff) bestimmt werden. Der TOC, welcher die TWA passiert, stellt den Gesamtgehalt an potentiellen Bakteriennährstoffen dar, die zu Wiederverkeimungen führen können (Ziel Reinwasser DOC < 1 mg/l).

Der größte Anteil des DOC im Gewässer liegt als schwer abbaubare Fraktion vor, da leicht abbaubare Verbindungen (AOC, assimilierbarer, organisch gebundener Kohlenstoff) rasch durch Gewässerbakterien umgesetzt werden. Dabei ist zu beachten, daß durch die Desinfektion des Wassers in der Wasseraufbereitung diese schwer abbaubaren Verbindungen aufgespalten und somit ebenfalls wieder bakterienverfügbar werden können.

Die Minimierung des DOC-Gehalts muß darüber hinaus auch deshalb gefordert werden, weil organische Kohlenstoffverbindungen im Zusammenhang mit Desinfektionsverfahren auf Chlorbasis zur Bildung von gesundheitsrelevanten Desinfektionsnebenprodukten (Haloforme) führen.

Tabelle 2: Beschaffenheitsanforderungen an Rohwasser und Trinkwasser für eine störungsfreie Trinkwasseraufbereitung und Weiterleitung
 
Kriterium Einheit Rohwasser Reinwasser
Gesamt-P µg/l < 25 TrinkwVO
orto-Phosphat-P µg/l < 15 nicht relevant
Gesamt-Planktonvolumen mm3/l < 5 < 0,1
Chlorophyll-a  µg/l < 5 < 0,1
Cyanobakterien   nicht vorhanden nicht vorhanden
Gesamt-SON µg/l < 40 < 2
Quotient SON >780 µm/SON < 780 µm   > 0,3 nicht relevant
DOC mg/l < 5 < 1
 

2 Bewirtschaftungsmaßnahmen und Verfahren

Der wichtigste Weg, um die unter 1. beschriebenen Qualitätskriterien zu garantieren, ist die Minimierung des Algenwachstums mit den daraus resultierenden Folgeproblemen5. Prinzipiell werden zwei Strategien verfolgt:

 
- Minimierung der Ressourcen für das Algenwachstum (Phosphor)
- Entzug der Algenbiomasse z. B. durch Nahrungsnetzsteuerung

Der Vorteil, den der Betrieb von Talsperren bietet, ist die gute Steuerbarkeit von Zu- und Ablauf. Die Kosten für diese Steuerung sind minimal, Energieaufwand und Abproduktprobleme entfallen.

Die Kenntnis wesentlicher Unterschiede zwischen Seen und Talsperren ist die Grundlage einer sicheren Bewirtschaftung (Tab: 3).
 
Tab 3. Unterschied See/Talsperre
 
Kriterium Talsperre See
Verweildauer des Wassers kurz lang
Sedimentation hoch gering
externer Einfluß hoch gering
Erosionsgefahr hoch niedrig
Alter  gering hoch
Ablauf  Tiefenwasser oberflächlich
Gradienten vertikal und horizontal vertikal
tiefster Punkt Ende des Tals Mitte des Sees
Pegelschwankungen hoch niedrig
Uferlinie anteilig lang anteilig kurz
Steuerbarkeit  gut schlecht
 

Kurzfristige Steuerung und mittelfristige Bewirtschaftung

Bereits im Einzugsgebiet kann Wasser in vielen Fällen über Stollen entsprechend der Nährstoffbelastung zugeführt oder zurückgehalten werden. Die Abgabe des Rohwassers für die Trinkwasseraufbereitung erfolgt in der Regel aus dem oberen Hypolimnion, weil dort sowohl Probleme des oberflächennahen Wassers (Phytoplankton) als auch des Tiefenwassers (Eisen, Mangan, Ammonium) minimal sind. Nährstoffreiches Tiefenwasser kann über die Grundablässe abgegeben werden, die Entnahme von Blaualgen ist durch die Ableitung von Oberflächenwasser (Heberleitung in HWE), möglich (Abb. 3). Gute Steuerkriterien sind Trübung, Temperatur, Sauerstoff- und Chlorophyll-Gehalt.

 

Abb. 3: Gütesteuerung von Trinkwassertalsperren im Routinebetrieb

Auf natürlichem Wege können Nährstoffe vor allem in den Sommermonaten durch den Betrieb von Vorsperren eliminiert werden9. Dort wird ein möglichst intensives Phytoplanktonwachstum angestrebt. Die sedimentierenden Algen entziehen dem Wasser Nährstoffe. Ähnliche Effekte werden in großen Trinkwassertalsperren durch das Installieren von Tauchwänden im Stauwurzelbereich erzielt. Eine weitere Verbesserung der Wassergüte kann durch ein ausgeglichenes Stauregime mit möglichst hohen Pegelständen erreicht werden. Erosionsprozesse im Uferbereich werden dadurch vermieden. Außerdem können dann Wasserpflanzen wachsen, welche dem Wasser Algennährstoffe entziehen, die dann in der Pflanzenbiomasse am Sediment fixiert werden. Hohe Pegelstände werden vor allem deshalb angestrebt, weil mit zunehmendem Beckenvolumen, bezogen auf die Einzugsgebietsgröße, die P-Flächenbelastung8 sinkt. Darüber hinaus steigt das Pufferungsvermögen gegenüber Schadstoffeinträgen und die Stabilität der Schichtung nimmt zu.
 

Verfahren zur Verbesserung der Wasserqualität

Aus ökologischen und hygienischen Gründen sind die Möglichkeiten der verfahrenstechnischen Einflußnahme an Trinkwasserreservoiren begrenzt. Die wichtigsten und praktisch bewährten werden im folgenden erläutert:

Hypolimnische Belüftung11 und Sauerstoffbegasung

Ziel dieser Verfahren ist es, die Sauerstoffverhältnisse (Redoxpotenial) im Tiefenwasser und am Sediment/Wasser-Kontakbereich zu verbessern. Damit wird die Rücklösung unerwünschter Inhaltsstoffe (Phosphor, Eisen, Mangan) sowie die Bildung von Produkten des anaeroben Abbaus (Ammonium, Schwefelwasserstoff) verhindert. Zum Einsatz kommen unterschiedliche Systeme, die entweder Druckluft oder reinen Sauerstoff eintragen. Durch die Rückführung des Wassers ins Hypolimnion wird erreicht, daß die Schichtung des Wasserkörpers stabil bleibt. Gleichzeitig wird ein Wasseraustausch zwischen unterem und oberem Hypolimnion möglich. Die kontinuierliche Strömung am Gewässergrund fördert dort Stoffumsatzprozesse (Denitrifizierung, Nitrifizierung, Eisen/Mangan-Oxidation, P-Fixierung). Die Begasung mit reinem Sauerstoff erfolgt über perforierte Schläuche am Gewässergrund. Ziel ist es, daß der Sauerstoff möglichst vollständig im Wasser gelöst wird. Die Schichtungsverhältnisse können dadurch stabil gehalten werden. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, daß die Baugruppen relativ flexibel einsetzbar sind und als mobile Einheiten im Havariefall zum jeweiligen Gewässer transportiert werden können. Eine kontinuierliche Wasserströmung und Sedimentstabilisierung am Gewässergrund kann hier jedoch nicht erzielt werden.

Lichtlimitierung

Falls eine Talsperre genügend tief ist, besteht die Möglichkeit, das Licht zum wachstumsbegrenzenden Faktor zu machen. Desto größer die durchmischte Tiefe (Epilimnion) wird, um so seltener gelangen die Algen in den durchlichteten Bereich. Wenn die Lichtintensität den Kompensationspunkt (Atmung = Produktion) erreicht hat, sind Atmung und autotrophe Produktion gleich; ab dann ist kein Algenwachstum mehr möglich. Entsprechend der Extinktion des Wassers und darüber hinaus durch die Selbstbeschattung der Algen besteht demzufolge die Möglichkeit, durch Vergrößerung der Durchmischungstiefe den Lichtgenuß der Algen zu limitieren, um somit deren Wachstum zu begrenzen. In der Praxis wird dieses Ziel erreicht, indem durch künstliche Umwälzung die Schichtung des Gewässers zerstört wird (Destratifikation).

Biomanipulation/Nahrungsnetzsteuerung

Neben den Verfahren, die auf den Entzug der Nährstoffe für das Algenwachstum orientieren bietet sich eine Methode der Ökosystemsteuerung an, die über die Beeinflussung der Nahrungskette zu einer Senkung des Phytoplanktonaufkommens führt. Möglichkeiten und Grenzen der Biomanipulation sind in 17 umfassend beschrieben. Durch die Beeinflussung des Fischbestandes (Besatz, Entnahme) wird ein verstärkter Raubfischbestand aufgebaut, welcher dann wirkungsvoll die zooplanktonfressenden Friedfische kontrolliert. Auf diese Weise kann sich das Zooplankton besser entfalten und filtrierbare Algen eliminieren.

Weitere gewässerinterne Verfahren

Zur Sanierung von Seen und Talsperren gibt es weitere Verfahren, die in der Regel jedoch nicht für einen Dauerbetrieb geeignet sind, da sie nicht ohne den Einsatz von Zusatzstoffen, welche sich im Gewässer anreichern, auskommen. Die Eliminierung von Phosphat aus dem Freiwasser ist über Fällungsreaktionen möglich (hypolimnische Kalzitfällung, Aluminium- und Eisensalze). An dieser Stelle sollten auch Phosphateliminierungsanlagen im Bereich des Hauptzulaufes zu Talsperren erwähnt werden, welche jedoch ebenfalls nicht ohne Chemikalieneinsatz, verbunden mit Abproduktanfall auskommen. Eine wichtige gewässerinterne Maßnahme ist die Beräumung oder Stabilisierung von nährstoffhaltigen Sedimenten.

EDV-gestütztes Gütemanagment

Die steigenden und durchaus berechtigten Forderungen seitens der Verbraucher, kontinuierlich mit Wasser höchster Qualität versorgt zu werden, erfordern bereits bei der Rohwasserbereitstellung ein Management, das Qualitätsbeeinträchtigungen auf ein Minimum begrenzt. Gegenüber materialaufwendigen Therapieverfahren erlangen deshalb kosten- und personalsparende Methoden für die umweltschonende Talsperrenbewirtschaftung große Bedeutung.

Ausgangspunkt im Sinne der Vermeidung von Schadstoffeinträgen ist die Erfassung und Darstellung von Einzugsgebietsdaten (Landnutzung, Hydrologie mittels GIS und Fernerkundung), um mögliche Schadstoffquellen und Eintrittpfade rasch zu erkennen und zu bewerten.

Das eigentliche Gewässermanagement beginnt mit der online-Erfassung von Zuflußdaten, die sich rasch ändern können. Wichtige und inzwischen gut kontinuierlich meßbare Größen sind Durchfluß, Trübung, Sauerstoffgehalt, pH-Wert, Wassertemperatur und elektrische Leitfähigkeit. In landwirtschaftlich geprägten Gebieten ist die Überwachung von Nitrat angebracht (direkte Messung der UV-Extinktion). Für weitere Nährstoffe (Phosphat, Ammonium) stehen derzeit noch keine online-Systeme zur Verfügung, welche die für Trinkwasser erforderlichen Nachweisgrenzen ohne großen Aufwand garantieren Trübung, Temperatur, pH-Wert und Sauerstoffgehalt sind Kriterien, deren Überwachung auch im Wasserkörper der Talsperre und an den jeweiligen Entnahmetiefen des Rohwassers für die Trinkwasseraufbereitung erfolgen sollte. Die Anbindung der Meßfühler an Fernwirksysteme und automatische Probenehmer (zeit-, mengen-, und ereignisproportionale Probenahme) ist in jedem Falle wichtig, um sofort und ohne zusätzlichen Personalaufwand über eine Leitwarte dann entsprechend den vorliegenden Qualitätsangaben oder angezeigten Grenzwertüberschreitungen unmittelbare Steuerungshandlungen auszuführen.

 

 

 

Abb. 4: Online - Messung und - Steuerung von Gütekriterien an Talsperren

Für die mittelfristige Bewirtschaftung bieten sich Entscheidungshilfen auf Basis dynamischer gewässerökologischer Modelle an. Das am Institut für Hydrobiologie der TU Dresden entwickelte Modell SALMO (Simulation by an Analytical Lake Model)2, welches derzeit an der TU Ilmenau rechentechnisch aufbereitet und weiterentwickelt wird, erlaubt beispielsweise die Simulation wichtiger Inhaltsstoffe (ortho-Phosphat, anorganischer Stickstoff, Phytoplankton, Zooplankton, Sauerstoffgehalt) in Abhängigkeit von den Eingangsgrößen (Nährstoffe, Hydrologie). Die praktische Bewirtschaftung kann durch den Einsatz von Managementprogrammen, mit denen Entscheidungen über das Mengenmanagement entsprechend der Qualitätsvorgaben getroffen werden, wesentlich erleichtert werden.
 

3 Aspekte umweltverträglicher Talsperrenbewirtschaftung

 Prinzipiell stellt die Trinkwasserversorgung aus Talsperren eine umweltverträgliche Variante dar14. Das Wasser steht als erneuerbare Ressource zur Verfügung. Das gesamte Wassereinzugsgebiet erfährt eine Beruhigung und erhält einen Schutzstatus, der in vielen Punkten dem von Naturreservaten gleicht. Trinkwasserschutz ist beispielsweise mit der Forderung nach naturnahem Waldbau, entzugsorientierter Landwirtschaft und renaturierten Fließgewässern verknüpft5. Dennoch kann der Betrieb von Talsperren negative Auswirkungen vor allem auf das nähere Umfeld der Talsperre haben. Wesentlich ist vor allem der Eingriff in den Wasserhaushalt sowie die Beeinflussung der aquatischen Flora und Fauna des angestauten Fließgewässers. Eine Minimierung dieser Auswirkungen sollte angestrebt werden, jedoch immer unter der Prämisse der Sicherung einer hohen Trinkwasserqualität. Die Möglichkeiten, den täglichen Betrieb von Talsperren umweltverträglich zu gestalten, sind im wesentlichen auf die Regulierung von Zulauf und Entnahme beschränkt:

 

Die aus gütewirtschaftlichen Gesichtspunkten angestrebte Abgabe von nährstoffhaltigem Tiefenwasser über den Grundablaß hemmt vor allem in den Sommermonaten aufgrund unnatürlich niedriger Temperaturen die benthische Besiedlung sowie die Reproduktion von Kleinfischen. Entsprechend der Phosphorbilanz im Tiefenprofil der Talsperre (gesamt-P Epilimnion im Verhältnis zum gesamt-P im Tiefenwasser) sollte entschieden werden, ob eine Zumischung von wärmerem Epilimnionwasser möglich ist. Der Zeitpunkt von Funktionsproben der Grundablässe, Pegeleichungen und weitere betrieblich notwendige größere Wasserabgaben sollten prinzipiell nicht im späten Frühjahr und Sommer erfolgen. Die anteilige Simulation von Niedrig- und Hochwasserereignissen im Unterlauf von Talsperren entsprechend der natürlichen Zuflußdynamik hingegen ist nicht nur betriebswirtschaftlich sinnvoll sondern kann zu einer Freispülung des Interstitials und somit zu neuen Besiedlungsräumen für verschiedene Wirbellose (Fischnähtiere) führen. Dabei müssen selbstverständlich die Interessen der Anlieger und Nutzer am Unterlauf berücksichtigt werden ("schadfreier Hochwasserabfluß"). Die Bewirtschaftung des Wasserkörpers der Talsperre unter Zielsetzung möglichst konstanter Pegelstände im Sinne der Wassergüte kommt auch der Ausprägung vielfältiger Litoralgemeinschaften zugute. Durch das Wachstum von Wasserpflanzengürteln vor allem im Stauwurzelbereich wird Laichsubstrat geschaffen, die Ansiedlung von Fischnährtieren wird möglich und es werden Lebensräume für flachwassergebundene Arten geschaffen (Insekten, Amphibien). Ähnliche Biotope entstehen an Vorsperren, welche kontinuierlich im Überlauf betrieben werden.
 

Im Rahmen des Baus und der Sanierung von Talsperren sollte im voraus geprüft werden, inwieweit für die genannten Steuerungsvarianten zusätzliche Armaturen ergänzt werden können. Darüber hinaus bieten größere Bauvorhaben oft die Gelegenheit, mit geringem Aufwand kleinere Einrichtungen im Sinne der Umweltverträglichkeit anzulegen. Beispielsweise können Aufstiegshilfen für Fische an kleinen Dämmen geschaffen werden, wodurch die ökologische Durchgängigkeit von Sperranlagen verbessert wird. Die Schaffung kleiner Vorstaubecken verhindert das Trockenfallen des Stauwurzelbereichs in den Sommermonaten.

 

4 Resümee
 

Die Qualität des Rohwassers aus Talsperren und stehenden Oberflächengewässern wird in hohem Maße durch die Trophie des jeweiligen Gewässers geprägt, welche stärker für die Festlegung von Qualitätskriterien berücksichtigt werden muß. Eine hohe Rohwasserqualität wird einerseits durch Gewässerschutzmaßnahmen erreicht und darüber hinaus durch gewässerinterne Maßnahmen und Bewirtschaftungsstrategien, die auf ökologisch verträgliche Weise zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen. Talsperren stellen als regenerierbare Wasserressourcen prinzipiell eine umweltverträgliche Möglichkeit der Wasserbereitstellung dar. Dennoch müssen angesichts wachsenden Drucks auf natürliche Lebensräume durch Gewerbe und Kommunen ökologische Gesichtspunkte auch für den Betrieb von Talsperren zunehmend Einzug in die bestehende Praxis finden.

 

Literatur

 

1 Arbeitskreis Biologie der ATT (1998): Technische Information Nr. 7, Erfassung und Bewertung von Planktonorganismen.

2 Benndorf, J. (1988): Documentation of the dynamic model SALMO II. Forschungsbericht. TU Dresden.

3 Clasen, J. (1994): Die Bedeutung biologischer Untersuchungen für die Steuerung und Überwachung von Aufbereitungsanlagen von Trinkwassertalsperren. In: Die Biologie der Trinkwasserversorgung aus Talsperren, ATT-Information: 85-93.

4 DIN 38412 L 16 (1989), Bestimmung des Chlorophyll-a-Gehaltes von Oberflächenwasser.

5 Ditsche, P. and H. Willmitzer (1997): Complex ecological approaches to the management and refurbishment of drinking water reservoirs. In: International Commission on Large Dams, 19th Congress. 3, 219 - 242.

6 DVGW (1996): Eignung von Wasser aus Fließgewässern für die Trinkwasserversorgung. DVGW-Merkblatt W 251.

7 EAWAG (1985): Simultanbestimmung von Gesamt-Phosphor und Gesamt-Stickstoff im Seewasser mittels Peroxodisulfat-Oxidation.

8 Fachbereichsstandard DDR (1983): TGL 27885/01, Stehende Binnengewässer, Klassifizierung.

9 Fachbereichsstandard DDR (1993): TGL 27885/02, Stehende Binnengewässer, Nährstoffeliminierung in Vorsperren.

10 Irmer, U., Rocker, W. und K. Blondzik (1997): Qualitätsanforderungen an Oberflächengewässer: Zielvorgaben, Qualitätsziele und chemische Gewässergüteklassifizierung. Acta hydrochemica et hydrobiologica. 2-97, 62-70.

11 Klapper, H.(1995): Belüftung von Seen und Zwangszirkulation. WAP 4.16-21.

12 Richtlinie des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedsstaaten (75/440/EWG): Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 194/34-39, 25.07. 75 geändert 9. 10. 79.

13 Sladeckova, A.. and L. Zacek (1997): Technical and Hygienic Consequences of Reservoirs Eutrophication in the Czech Republic. In: International Association on Water Quality. Reservoir Management and Water Supply, Conference Proceedings, 1. 257 - 264.

14 Thüringer Talsperrenverwaltung (1994): Umweltverträglichkeitsprüfung, Genehmigungsplanung für die Talsperrenanlage Leibis-Lichte. unveröff.

15 Trinkwasserverordnung in der Fassung vom 5. 12. 1990 BGBl. der BRD.

16 Wilhelm, Ch. Et al. (1995): The HPLC-aided pigment analysis of phytoplankton cells as a powerful in water quality control. J. Water SRT - Aqua 44: 132-141.

17 Willmitzer, H. (1996): Restaurierung von Trinkwassertalsperren durch Biomanipulation. WAP 2, 16-23.